Von Einheitsbrei keine Spur … Ein Fachgespräch der Direktkandidat*innen zur Bundestagswahl am Heinrich-Böll-Gymnasium

Sind unsere Parteien wirklich alle gleich? Dieser Eindruck schien sich bei der Diskussionsrunde zwischen Parteivertreter*innen, die am 13. September 2021 am Heinrich-Böll-Gymnasium Troisdorf stattfand, nicht zu bestätigen. Vor mehr als 120 Oberstufenschüler*innen diskutierten die Direktkandidat*innen des Rhein-Sieg-Kreises Elisabeth Winkelmeier-Becker (CDU), Sebastian Hartmann (SPD), Ralph Lorenz (FDP), Dr. Alexander Neu (Linke) sowie Dr. Richard Ralfs (Grüne). Die Gesprächsanfrage der Schule an die AfD blieb unbeantwortet.

Drei Themenbereiche standen für die Schüler*innen im Vordergrund des Fachgesprächs: 1. Wirtschafts- und Klimapolitik heute und morgen, 2. Leben in einer gerechten Gesellschaft und 3. Außen- und Sicherheitspolitik. Organisiert wurde die Veranstaltung von der Fachschaft Sozialwissenschaften & Wirtschaft-Politik des Heinrich-Böll-Gymnasiums, moderiert wurde sie von Andreas Wüste.

Foto: Patrick Richter

Dass es sich bei den eingeladenen Parteien um keinen Einheitsbrei handelt, wurde schnell deutlich: „In den Zielen unterscheiden wir uns wenig, aber in der Umsetzung!“, so Sebastian Hartmann – eine Aussage, die von den übrigen Teilnehmenden gleichermaßen unterstrichen wurde. Im Themenfeld Wirtschafts- und Klimapolitik zeigten sich diese Unterschiede besonders deutlich: So vertrat Ralph Lorenz die Ansicht, dass Klimaschutz am besten durch den Marktmechanismus gesteuert werden sollte und kritisierte eine zu starke Bürokratisierung von Unternehmen u.a. bei umweltgerechter Entsorgung. Sebastian Hartmann und Alexander Neu betonten die notwendige Sozialverträglichkeit einer klimaneutralen Lebensweise und bekräftigten mit Blick auf den Bürokratisierungsvorwurf die Bedeutung von Transparenz bspw. in den Lieferketten. Kritisch angemerkt wurde von Seiten der Schülerschaft eine zu starke Nähe von Politik und Interessenverbänden, die Elisabeth Winkelmeier-Becker mit der Notwendigkeit konterte, verschiedene Interessen und Perspektiven bei der Politikgestaltung mit einzubeziehen.

Die Schüler*innen verwiesen im zweiten Themenbereich „Leben in einer gerechten Gesellschaft“ auf die hohen bürokratischen Hürden des Digitalpaktes und fragten kritisch nach, ob sie denn mit einer ausreichend hohen Rente im Alter rechnen könnten. Auch beim Thema Schuldenabbau zeigten sich deutliche Unterschiede zwischen Befürworter*innen der schwarzen Null (CDU, FDP) und Gegnern (Linke). Zuletzt stand das aktuelle Politikfeld Afghanistan im Mittelpunkt. Richard Ralfs übte deutliche Kritik an dem viel zu spät angesetzten Evakuierungseinsatz. Alexander Neu betonte, dass der Westen Afghanistan nie wirklich verstanden hätte und unter diesen Bedingungen jeglicher Demokratisierungsversuch zum Scheitern verurteilt sei.

Auch in ihren Schlussworten hoben die Teilnehmenden unterschiedliche Aspekte hervor. Ralph Lorenz verwies auf eine notwendige liberale Grundhaltung einer zukünftigen Regierung als Voraussetzung für eine Regierungsbeteiligung der FDP, Alexander Neu nannte wiederum als Bedingung eine sozial-ökologische Wende. Elisabeth Winkelmeier-Becker betonte das positive Menschenbild der Union und Sebastian Hartmann hob die Kompetenz des SPD-Kanzlerkandidaten Olaf Scholz hervor.

Die Schüler*innen waren hoch zufrieden mit der Veranstaltung. In einer digital gestützten Kurzevaluation am Ende der Veranstaltung gaben über 80 % an, dass sie nach dem Fachgespräch ein besseres Verständnis über Möglichkeiten, Grenzen und Schwierigkeiten der Politik hätten. Fast 95 % gaben an, dass sie gute Einblicke über die Positionen der Kandidat*innen gewinnen konnten. „Es ist wirklich etwas rum gekommen!“, so eine Schülerinnen. „Ich war da im Vorfeld sehr skeptisch.“ Der Wunsch nach einem Mehr wurde ebenso geäußert: „Es sollte mehr Zeit eingeplant werden, da einige Fragen nicht gestellt werden konnten.“, merkte ein Schüler an.

Insgesamt war es eine lebhafte und kontroverse Diskussion mit vielen kritischen Fragen der Schüler*innen, die die anfangs angesprochenen Unterschiede nicht in den politischen Zielen, wohl aber in ihrer Umsetzung, deutlich zutage treten ließen. Von Einheitsbrei also wirklich keine Spur.

Text: Bentje Caspari